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1803
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Ein düsterer, nebliger Tag. Der armen Ascher und des abgefeimten Bösewichtes Jakob Kirstein Todestag. Früh zum Grafen, zum Hafner, in die Theaterkanzlei und nach Haus. Die Sepherl kam mir atemlos entgegen, schrie „Um Gottes willen, die Ascher ist erschossen", und ein Kerl habe sie, dann auch sich selbst erschossen, beide liegen in ihrem Blute. Die Rustin (?) Mutter – sie wohnt am Tiefen Graben vis-à-vis des Hahn (?), wo die Unglückliche wohnte – war da und erzählte, dass sie um ¾ auf 12 h mittags 2 Schüsse nacheinander hörte. Die Schwester schickte Kirstein um 10 h aus nach Erdberg in ihren Garten, unter dem Vorwand, da eine Schrift zu holen, die ihn vielleicht retten könnte. Die Unvorsichtige ging. Die Hausfrau war auch nicht zu Hause. Der Schurke schloss die Türe. Sie schlief – so vermutet man aus der Lage, in der sie gefunden wurde – wieder ein. Er schoss sie beim Kinn in den Kopf, und sich in den Mund. Der Schlosser und die Dienstmagd kamen auf den Schuss, sperrten auf und fanden ihn im Blute, ohne Rock, mit der Pistole noch in der Hand liegen, sich aber noch bewegen. Der Pulverrauch und Dampf in dem kleinen Zimmer waren so heftig, dass sie den noch lebenden doppelten Mörder – vielleicht in der Meinung, ihn noch zu retten – auf den Gang zogen. Er war aber ohne alle Besinnung und hauchte nach ¾ Stunden seinen teuflischen Geist aus. Man fand bei ihm mehr Pulver, Blei, Briefe, wovon ich in der Folge etwas Bestimmtes hören werde. Er legte ihr ihr Porträt unter den Kopf. Von ihm fand man 3 Finger, die ihm vermutlich ein Schuss wegriss, unter dem Bett. Er soll unter dem Namen Fourier Mayer beim Römischen Kaiser gewohnt haben und sie schon am Leopolditage besucht haben. O die Unvorsichtigen ! Sie waren taub gegen die Warnungen ihrer Freunde. Schrecklich büsste die Ascher für ihren Leichtsinn und ihre Unvorsichtigkeit. Wehe den beiden R[embol]d und L[an]g; diese halfen und verbargen den Schurken fort. Ich und Therese waren Zeugen, wie die Ascher Kirsteins Schlafrock, und die Babett andere Sachen zusammenpackten, um sie beim L[an]g dem Schurken zu geben. Beide, Nanett und Babett, waren schon ganz misstraurisch gegen uns, weil wir ihnen wegen diesem Wüterich so ans Herz sprachen, aber leider ohne Nutzen, wie die gräuliche Tat bewies. Ich war ganz erschüttert, fasste mich mit Anstrengung aller Kräfte, um es Therese vorzutragen, so gut ich konnte. Therese nahm es standhaft auf. Ich schickte gleich die Sepherl hin; sie kam mit der Antwort, den Mörder trugen sie um ½ 2 h tot weg, Ascher liege im Bett, Babette rase, wolle sich über das Fenster stürzen oder mit dem Messer morden, der Bruder sinke von einer Ohnmacht in die andere und die Mutter schwanke wie eine Leiche herum. Mehrere 100 Menschen stünden auf der Straße herum und hörten die von zwei verkleideten Polizeikerls gehaltene Babett schreien und weinen. Der Gang, Zimmer und Bett schwimmen von Blut. Mit tausenderlei Verdrehungen und Zusätzen erzählt man sich diese grauenhafte Geschichte, die jedes Menschenherz empört. Nach 2 h kam die Sepherl nach Haus. Wir konnten nichts essen. Nach Tische kamen Salieri, mein Bruder, Lavotta, die Rottruff, Schwester, die Gulyás, Eckhart, welcher Therese etwas verschrieb. Wir blieben bis 4 h zu Haus. Dann gingen Therese und ich zum Brandl. Von da aus schickte ich die Magd zur Ascher, um zu hören und Rückbleibendes zu machen. Ich hörte nur von Jammer, Elend und Zetergeschrei. Um ½ 5 h trug man Aschers Leichnam ins Allgemeine Spital. Bitter und zermalmend mögen die Vorwürfe immer sein, die sich die Babett aus vielem Grund zu machen hat. Therese blieb den Abend bei der Brandlin, ich ging einen Augenblick zu Schaidegger, und erfuhr, dass der Fürst wirklich in der Redoute war, sie ihn sprachen und er sie heute schon besuchte, mit der Versicherung, für sie zu sorgen. Den Abend blieb ich im Kärntnertor-Theater „Tage der Gefahr“, dann zu Brandl, wo wir soupierten und erst um 11 h nach Haus kamen.
Band 04 (IV.), Seite 140v
21.11.1803
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