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1814
1802
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In Brünn. Reise nach Raitz und Sloupp. Ein düsterer, kühler, mir sehr erwünschter Tag. Schon um 3 h wurde ich wach. Um 4 h ging ich zu Burgheim (?) in die Rathausgasse, um ihn zu rufen, weil das Rendezvous um ½ 4 h war. Erst um 5 h fuhren Burgheim, Hebenstreit, Krieghammer, Kathi, Moreau, Pipin (?) und ich zum Neuen Tor, Neue Gasse, beim Augarten, an der Kartause - ein kleines Örtchen mit einem Gasthause, wohin die schöne Welt von Brünn des Nachmittags Kaffee trinken fährt - vorbei nach Libuwka, 1. Post. Hier frühstückten wir Kaffee im Post-, welches zugleich auch Gasthaus ist. Moreau hatte seine Lazzi mit des Postmeisters Perücke, welche die Magd erblickte, der hageren, großen, mit einem Satansblick ausgestatteten Frau Postmeisterin alsogleich referierte, welche im Nu erschien und Moreaus Ungezogenheit derb rügte. Ich vergaß da mein Taschenmesser. Wir fuhren über Csernahora, verließen da die Landstraße nach Leitomischl und Prag, schlugen den Weg rechts ins Gebirg ein und kamen nach Raitz mit einem schönen Schlosse, dem Fürsten Salm gehörig. Das Schloss liegt auf einer Anhöhe, schon kann man es Berg nennen, und hat auf die vor sich liegenden Täler und Gebirge eine romantisch schöne Aussicht. Den Pferden wurde Heu gegeben, Burgheim, Moreau und ich gingen auf das Schloss und ersuchten den Zimmerwärter, uns selbes zu zeigen. Zu ebener Erde ist mitten ein prächtiger, geschmackvoller Saal, der uns sehr überraschte. Er hat die Höhe des Schlosses – das Schloss hat einen Stock und Mezzanine, welche aber auch sehr hoch und geräumig sind – ist fresco mit Architekturen in braunem Marmor gemalen. Vor den Fenstern des ersten Stocks sind steinerne Baluster. Die Form ist oval. Die Nebenzimmer sind mit kostbaren Gemälden und Kupfern vom Vatikan, Versailles und Brüssel geziert. Ein Tisch bei 5 Schuh lang mit einer Platte von Tropfstein aus der Felsenhöhle bei Sloupp erregte Aufmerksamkeit und Bewunderung. Die einfache, angenehm verzierte Kirche mit dem Altarblatt Maria Himmelfahrt, dann unter selber die Familiengruft, mit den Stiegen und Geländern von Eichenholz gefiel mir vorzüglich. Im 1. Stock sind meistens, und im 2. zum Teil Gastzimmer und Vorratskammern. In einem derselben ist eine prächtige Rüstung von Stahl, schön damasziert, eine Glaskugel, die einen Eimer hält, und eine Uhr von Stroh, welche ein Arrestant vom Spielberg – der jetzigen Schauspielerin Caché erster Mann – machte, die mit einem Gewicht von 1 Ungerisch ? 10 Stunden geht. In diesem Werk ist alles erreicht, was sich von Stroh machen lässt. In den Seitenflügeln wohnt der Graf links, welches einst die Maurerloge gewesen, dann sind Stallungen. Schade, dass kein Garten am Schlosse ist. Neben ist ein Gärtl des Zimmerwärters mit einem Bassin, wovon das Schloss und Bräuhaus mit Wasser versehen werden. Hinter dem Schlosse fuhren wir in Fahren- und Tannenwaldungen nach Sloupp und kamen um ¼ nach 1 h an. Im 1.Tal hinter dem Jägerhaus brach uns die hintere linke Bratzen (?), wir mussten uns mit Ketten behelfen. Mit jedem Berge, den wir erreichten – denn die Gegend von Karthaus an ist ganz gebirgig – ist die Aussicht neu, groß, abwechselnd, schön und begeistert gewiss jeden, in dem nur ein kleines Gefühl für die erhabenen Schönheiten der Natur zu finden ist. In Sloupp sahen wir zuerst die schöne große Kirche. Deren Gewölbe sind fresco gemalen, der Altar ist architektonisch von braunem Marmor gemacht, ihn ziert ein Marienbild. Der Ort liegt mitten im Wald in einem Tal; beim Eingang sieht man eine ganze Reihe Kalköfen. Die Einwohner sprechen nur böhmisch, selbst der Wirt kann kein Wort deutsch. Es fand sich ein geschäftiger Schneider, der ziemlich Deutsch konnte; dieser empfing uns im Wirtshause, trug uns an, in die Felsenhöhlen zu führen und machte gleich zu diesem Ende im ganzen Orte Alarm. In einer Viertelstunde versammelte sich der größte Teil des Ortes, ausgerüstet mit Fackeln von Fichtenspänen und zog vor und zur Höhle vorbei. Es machte einen seltenen Eindruck, so etwas zu sehen. Ungefähr 500 Schritte außerm Ort an der linken Seite türmen sich die Felsenwände hoch auf. Der Gegenstand, welcher uns zuerst aufmerksam machte, ist ein freistehender, bei 10 Klafter hoher Fels, auf welchem die Bildsäule des Simon von Stilita steht, jedoch jetzt ohne Kopf. Diese Simonssäule ohne Kopf fand ich sehr analog. Oben auf diesem Fels, auf welchen nachher ein Bauer mit augenscheinlicher Lebensgefahr kletterte, soll ein Kraut wachsen, dessen ausgepresstes Wasser vortrefflich für blöde Augen ist. Der Bauer pflückte wirklich eines ab und gab es der Kathi. Es ist beinahe unglaublich, wie ein Mensch auf einen beinahe senkrechten Felsen klettern kann. Ober diesem Felsenstück ist der Eingang eben zu diesen Höhlen. Am Eingang ward ein Feuer, an welchem die Bauern ihre Fackeln anzündeten. Zuerst kamen wir in eine Art Vorhölle; der Gang war eng und zog sich in die Tiefe. Vor und neben uns leuchteten die Fackeln. Nach beiläufig 200 Schritten überraschte uns ein Anblick, den ich gar nicht schildern kann. Ich würde das Schauerliche, undenkbar Große dieses Eindrucks vernichten, denn so ein Schauspiel muss man sehen, um sich davon einen Begriff zu machen. Wir befanden uns in einer ungeheuer hohen Höhle; vor uns in einer Entfernung von einigen 100 Schritten waren auf hohen Felsen viele Bauern in verschiedenen Stellungen postiert. Vor uns leuchteten sie den ganzen Weg bis zu jener Höhle. Links war ein langer, langer Gang, mit eben diesen Fackeln, aber sparsamer erleuchtet. Die Höhle selbst kann mehrere tausend Menschen fassen. Mehr als 70 Menschen, deren viele 2 Fackeln hatten, waren auf dem Felsen verteilt. Der Glanz der Steine, welche immer tropfen und dadurch teils neue Steinmassen schaffen, teils ganze Vertiefungen durch das Herabfallen verursachen, die verschiedenen, so kühnen als schauerlich hohen Wölbungen, die Gruppierungen so vieler Fackelträger, die dumpfe Luft, welche ich mir viel kälter dachte, alles dies bewirkte auf mich einen Eindruck, der mich im 1. Augenblick stumm machte und zur größten Bewunderung hinriss. Ein größeres Schauspiel lässt sich nicht mehr sehen. Lange hielten wir uns in dieser Höhle auf und bewunderten in tiefer Ehrfurcht dies mächtige Werk der Natur. Von da gingen wir bald auf-, bald abwärts über die von den herabfallenden Tropfen schlüpfrigen Steine, oder den feuchten Erdboden in verschiedene Höhlungen, die – von den Fackeln vor, hinter und neben uns ausgeleuchtet – einen majestätischen Eindruck gewährten. Nachdem wir ¾ Stunden verschiedene Gänge durchwandelten, kamen wir an ein Felsenloch, dessen Tiefe man nicht anzugeben wusste. Am Grunde ist Wasser. Unser Führer und mehrere Bauern wälzten große Steine hinab. Schauerlich war das Hinabrollen, das Auffallen von einer gähen Vertiefung zur anderen, der dumpfe Nachhall, endlich der Sturz ins Wasser dieser Steine. Bis dahin verstrichen 4 Minuten. Nicht weit davon ist eine Quelle mit sehr gutem Wasser. Man versicherte uns, wenn alle Quellen versiegen, versiege doch diese nicht. Durch einen engen Gang, wo man Menschengebeine, und in einer Höhle rechts auch 3 Menschenschädel findet, kamen wir an einen zersägten Stein; er steht ganz frei. Aus diesem ließ sich der Eigentümer der Herrschaft, Graf Salm, 2 Tischblätter schneiden; 2 Monate schnitten sie daran. Weiter kamen wir an ein Loch, welches zu jenem Wasser führt, in welches die Steine hinabrollten. Salm ließ vor 10 oder 12 Jahren einen Weg mittels Stiegen und Brettern hinab bahnen und fuhr mit der Fürstin Louis Liechtenstein auf einem Nachen herum. Jetzt ist aber alles verfault, durch den Tropfen vieles verändert und nicht mehr hinabzukommen. An verschiedenen Plätzen sind hoch in Gewölben oben starke Bäume zu sehen. Niemand weiß, wie und wann und wie lang diese Bäume quer gelegt worden sind. Der Ausgang ist steil, eng und sehr beschwerlich. Man muss sich beinahe auf den Bauch legen und kommt ungefähr 100 Schritt dem Dorfe näher wieder heraus. Mehr als 1½ Stunden gingen wir in den Höhlungen herum, und durchstrichen nur die merkwürdigsten Partien. Der Architekt des Fürsten Liechtenstein, Roschinsky [recte Rudzinsky), hielt sich darinnen 3 volle Tage auf und durchging sie nicht ganz. Wenn große Wassergüsse fallen, füllen sich einige Plätze 14, auch 20 Schuh mit Wasser; in einigen Tagen fällts aber wieder. Von außen an der Felsenwand, bei 3 Klafter hoch, ist ein Loch, wozu in Felsen gehauene kleine Stufen führen. Man muss hineinkriechen und findet darin 2 kleine Kammern, die einst Einsiedler bewohnten. In einer kleinen Entfernung ist die Wagenschupfen, eine Felsenhöhle, worin vielleicht 40 angespannte Wägen Raum haben. Sie hat 2 große Eingänge, durch welche sie hinlänglich Licht erhält, ist trocken, angenehm kühl und hoch. Die Salm geben öfters Tafel darin. Auf einer Seite wird gekocht, auf einem anderen Platz ist Musik und beim grösseren Ausgang ist die Tafel selbst. Von hier sieht man über eine fette Wiese in das Tal, welches durchaus Waldung ist. 5/4 Stunden weit ist auf freiem Feld ein Felsenloch, ein Abgrund mit Wasser, dessen Tiefe niemand ergründete, und wenigstens mehrere 100 Klafter tief ist. Der gesprächige Schneider gab mir ein Stück herabgeschlagenen Topfstein, und ein Bauer einen Zapfen aus Tropfstein. Im Rückweg sahen wir nochmals diese Felsenmasse an und bewunderten auf’s Neue die Macht der Natur. Wir nahmen Kalbsschlögel, Guglhupf – hier Wuchtel – und Weichselkuchen mit, schafften Speckknödel an, die wir aber nicht genießen konnten und an denen sich Endymion weidlich ergötzte. Im Orte selbst ist ein Dechant und eine Niederlage der von Krieghammer in Namiest erbauten Tuchfabrik. Um ½ 4 h brachen wir auf. Ich bewunderte, und weidete mich an den schönen Gegenden, vielleicht zum letzten Mal. In Csernahora und Libuwka wurde den Pferden Heu gegeben. In letzterem Dorfe verlangte ich mein früh vergessenes Messer. Die xanthippische Postmeisterin wollte lange nicht damit heraus; nur unser bestimmtes Drängen bewog sie dazu. Außer Libuwka fing es zu regnen an. Um ½ 10 h waren wir zu Hause. Von der vielen Bewegung und dem schlechten Sitzen, weil der Kalesch sehr klein ist, war ich sehr müde. Nie kann wohl ein Mensch es bereuen, und selbst wenn es mit wirklichen Strapazen verbunden wäre, diese Reise gemacht zu haben. Der Lohn dafür ist so groß als schön. Zum Souper wurde schon von den aus Sloupp mitgebrachten Krebsen gegessen.
Band 04 (IV.), Seite 59r
23.07.1802
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